
Die meisten von uns verbinden Kunsthandwerk untrennbar mit dem Erlebnis eines Marktbesuchs. Was gibt es Schöneres, als zwischen vielfältig bunten Verkaufsständen hin und her zu schlendern und die Atmosphäre und die Eindrücke mit allen Sinnen zu genießen.
Auch für die Kunsthandwerker*innen sind diese Märkte immer wieder ein Erlebnis, und mehr als das: In der Regel sind sie ein integraler Bestandteils ihres Lebens und die wichtigste Einnahmequelle. Wenn halt das Wetter passt. Und wenn nicht andere Veranstaltung das Interesse der Ausflugswilligen auf sich zieht. Und vorausgesetzt, man fertigt überhaupt Dinge, die sich auf Kunsthandwerksmärkten gut verkaufen lassen.
Und dann kommt Corona. Die letzte Saison war, was Kunsthandwerksmärkte angeht, sehr ausbaufähig. Das heurige Jahr dürfte, nach jetziger Einschätzung, wohl kaum viel besser werden. Wie erreichen Kunsthandwerker in der aktuellen Situation dennoch ihr Publikum? Und was machen jene, die nicht mehr ein Gutteil ihrer Wochenenden auf verschiedensten Märkten verbringen möchten?
Wir haben uns umgehört…
Pop-Up Stores
Wissen Sie, was ein Pop-Up-Store ist? Das Konzept dazu kommt – wie die meisten trendigen Ideen, die die Welt erobern – aus den USA: 1997 öffnete dort mit der Ritual Expo der erste dieser Stores seine Pforten – um sie kurz darauf wieder zu schließen. Aber keineswegs, weil das Projekt gescheitert wäre – Pop-Up-Stores sind von vorneherin dafür gedacht, nur für eine gewisse Zeit zu bestehen, und dann wieder zu schließen.
Die Idee dahinter ist gleichermaßen simpel wie genial: Leerstehende Geschäftsflächen werden für einen kurzen Zeitraum, der von wenigen Tagen bis zu einem halben Jahr dauern kann, günstig angemietet. Lange Bewilligungsverfahren fallen weg, das unternehmerische Risiko ist praktisch null.
Deshalb bieten manche Städte Unternehmer*innen die Möglichkeit, einen solchen Pop-Up-Store zu eröffnen und versuchsweise den Betrieb eines eigenen Ladens einmal unverbindlich und mit minimalem Risiko auszuprobieren. Was sich die Städte davon versprechen? Nun – vornehmlich wohl eine Belebung der Innenstädte, kämpfen doch viele damit, dass durch die Schaffung von Einkaufsmeilen in der Peripherie die Zentren an Attraktivität für Besucher*innen und Wirtschaftstreibende einbüßen.
Vom Pop-Up- zum Flagship-Store
Eine Kunsthandwerkerin, die diese ihr gebotene Chance zu nutzen wusste, ist Alexandra Wurm, stolze Inhaberin des Geschäfts „Arts of Woman“ in Leoben. Die Künsterin mit Leib und Seele präsentiert dort ihre selbst designten und von Hand gefertigten Schmuckstücke, aber auch ihre Bilder, in die sie ihre ganze Leidenschaft legt. Ihrem Motto „Es gibt nichts Schöneres als Emotionen in Kreativität und Ausdruck umzusetzen“ bleibt sie sowohl bei ihren Schmuck-Kreationen als auch in der Malerei treu.
Angefangen hat alles 2019, als sie nach langem Drängen und Nachbohren die Möglichkeit bekam, in der Leobener Innenstadt für drei Monate vor Weihnachten einen Pop-Up-Store einzurichten. „Ich war davor immer auf dem Weihnachtsmarkt. Das war schön und stimmungsvoll, aber ich wollte meine Einzelanfertigungen gerne in einem entsprechenden Ambiente präsentieren“, berichtet Wurm.
Dass sie über kurz oder lang ihren eigenen Shop haben wollte, war der gelernten Gold- und Silberschmiedin schon lange klar – schließlich entstammt sie einer Unternehmerfamilie und weiß sehr genau, was sie will: „Pop-Up war für mich nur der Anfang. Ich bin gekommen, um zu bleiben.“ Mittlerweile hat sie drei Lockdowns überstanden – ans Aufgeben denkt sie nicht.
Der Pop-Up-Store bot ihr die Gelegenheit, den Schritt zu wagen – und erwies sich als durchschlagender Erfolg. Der Andrang war so groß, dass sie die Dauer von drei auf sechs Monate erhöhte. Mittlerweile ist Arts of Woman den Kinderschuhen entwachsen, und hat sich vom Pop-up-Store zum fixen Geschäft gemausert. Dort sind nicht nur die Einzelanfertigungen aus Silber, Perlen, Halbedelsteinen, Mineralien sowie Naturmaterialien erhältlich, auch die Galerie mit ihren Bildern erfreut sich großer Beliebtheit. Ihre Kund*innen schätzen darüber hinaus ihre hochwertigen Services: So fertigt Alexandra Wurm Schmuckstücke nach Kundenwunsch und repariert auch die Lieblingsstücke ihrer begeisterten Kundschaften.
Das Erfolgsrezept sieht sie darin, dass sie regionale handgefertigte Einzelstücke als Gegenpol zur industriellen Massenfertigung anbietet: „Dafür gibt es eine große Wertschätzung. Auch ich als Person, die dahintersteht, ist für viele ein Faktor“, ist sie überzeugt.
Montag und Dienstag sind ihre Produktivtage, von Mittwoch bis Freitag steht sie Kund*innen von 9:30-13.00 und von 14.00-18.00 im Geschäft zur Verfügung.
Pop-Up-Store als Gemeinschaftsprojekt
Leoben dürfte für Pop-Up-Stores im Kunsthandwerk insgesamt ein fruchtbarer Boden sein: Auch Monika Frind, Tanja Gröger und Ute Reindl haben sich gemeinsam auf das Abenteuer Pop-Up-Store eingelassen und bieten nur einen Steinwurf vom Arts of Woman entfernt Keramik- und Glaskunst sowie handgemachte Naturseifen an.
“ Wir haben unseren Store am 4. November eröffnet, um einen Ersatz für die abgesagten Weihnachtsmärkte zu schaffen. So konnten uns unsere Kund*innen trotz der Covid-Maßnahmen besuchen“, erinnert sich Monika Frind.
Die Idee zu einem Pop-Up-Store kam ursprünglich von Tanja Gröger und war darauf angelegt, in der Vorweihnachtszeit präsent sein zu können. Schnell beschlossen die 3 Künstlerinnen die Zeitdauer des Stores auf sechs Monate zu verlängern – die längst mögliche Laufzeit für einen von der Stadt Leoben geförderten Pop-Up-Store. Damit müssten die drei Damen mit Ostern ihre Pforten schließen.
Angesichts der mehrmaligen erzwungenen Schließungen in den letzten Monaten konnten sie durch Verhandlungen mit den Verantwortlichen der Stadtgemeinde eine einmalige Verlängerung um weitere sechs Monate bis Ende Oktober erwirken.
Eine allein hätte den Pop-up-Store bei aller Risikominimierung nicht aufsperren wollen, sagt sie. Doch gemeinsam lassen sich Öffnungszeiten und Arbeitszeiten in der Werkstatt deutlich besser koordinieren. Auch dieser Store ist derzeit von Mittwoch bis Freitag geöffnet.
Inzwischen hat der Store schon viele Stammkunden gewinnen können und der Bekanntheitsgrad steigt weiter steil an.
Ob die Weiterführung des Stores als regulärer Shop ein Thema ist? Aus heutiger Sicht ist das auf alle Fälle eine interessante Option, wie uns Tanja Gröger berichtet. Sie selbst ist optimistisch, dass der Pop-Up-Store immer mehr Kunden anlocken wird und stellt auch gleich eine Erweiterung des Angebots durch weitere regionale Handwerker in Aussicht.
Monika Frind wird ihre Einzelstücke aus Muranoglas künftig wohl wieder hauptsächlich auf Kunsthandwerksmärkten in ganz Österreich und in ihrem Webshop anbieten.
Hopp-Hopp-Pop-up
Von einer Verlängerung der Laufzeit sind die Organisatorinnen des Oster-Pop-Up-Stores weit entfernt: Nur für 3 Tage wird Turners Café in Stattegg zum farbenprächtigen Kunsthandwerksmarkt mit nicht nur kulinarischem Nährwert: Juanita Guerra Arellano , Anja Schnider sowie Claudia Wallisch begeistern mit ihren handgefertigten Einzelstücken, während Sandra Sánchez Borque mit spanischen Leckereien für das leibliche Wohl der Besucher*innen sorgt. Alternativ bietet Turners Cafè auch Picknickkörbe an, mit denen man sich auf den Grünflächen nahe dem Store ein nettes Plätzchen suchen kann.
„Nachdem heuer keine klassischen Ostermärkte möglich sind, wollten wir ein bisschen von diesem Markt-Flair nach Stattegg holen“, berichtet Juanita Guerra, die auch abseits dieses Projekts neuen Möglichkeiten, mit ihren Kund*innen und Fans in Kontakt zu bleiben, durchaus aufgeschlossen ist. Auf die Palmweihe muss wegen des Besuchs im Pop-Up-Shop übrigens niemand verzichten. „Die Weihe findet in der Kapelle gleich nebenan um elf Uhr statt. Wir leben alte Traditionen und schaffen neue“, strahlt Juanita Guerra.
https://www.facebook.com/StatteggMarkt
Juanitas Guerra Arellano – Nähbox
Gemeinsam stärker sichtbar
Einen ganz anderen Weg haben die Kunsthandwerkerinnen des Kreativ Lod’ns in Schwanberg gewählt: Sie betreiben schon seit 2019 ihr Geschäft auf dem Schwanberger Hauptplatz. Ganz ohne Pop-Up. Dafür aber mit viel Kooperation und brancheninternem Zusammenhalt.
Claudia Reinisch und Simone Raunigg arbeiten schon lange gut zusammen: „Wir ergänzen uns gut. Ich mache Kerzen und Deko, Simone fertigt wunderschöne Taschen und Trachtenschmuck.“, erzählt Claudia Reinisch. So können die beiden in ihrem Laden eine bunter Vielfalt an schönen Dingen anbieten – und sich gleichzeitig die Miet- und Betriebskosten teilen. Um ihren Kund*innen ein besonders reichhaltiges Einkaufserlebnis zu ermöglichen, vermieten sie darüber hinaus noch einzelne Fächer in ihrem Laden an andere Kunsthandwerker*innen aus der Region. „Dieses Angebot ist eine Bereicherung für unser Geschäft und wird von den anderen gern angenommen“, freut sich Reinisch.
Das könnte auch daran liegen, dass der Umgang mit den Kooperationspartnern von Fairness und Wertschätzung geprägt ist. So wird auf die verkaufte Ware keinerlei Kommission verrechnet – einzig eine geringe Fachmiete fällt an. Derzeit sind gerade noch zwei Fächer zu haben, alle anderen sind mit liebevoll gefertigten Kunstwerken aus heimischen Ateliers befüllt.