DESIGN im Fokus – Wie entsteht ein Schmuckstück?

Der Muttertag naht, und viele fragen sich, was man der Mama schenken soll. Womit drückt man die Liebe und Dankbarkeit für alles, was eine Mutter jahrein, jahraus oft unbedankt leistet, am besten aus?

18.05.2022 | in Gold- und Silberschmiede

Die Antwort ist nicht immer einfach, egal ob man die eigene Mutter oder die der eigenen Kinder beschenkt. Nichts Abgedroschenes natürlich. Allerweltsgeschenke braucht niemand. Blumen? Ja. Eh. Schokolade? Wenn einem gar nichts anderes einfällt.
 
Gerade frischgebackene Papas haben aber oft das richtige Gespür: Dass Schoko zwar eh ganz süß ist, aber nicht das ausdrückt, was sie fühlen.
 
Wie jener junge Mann, der bei Goldschmiedin Ingrid Reindl-Kals in Wetzelsdorf bei Feldbach vorstellig wurde, weil er seiner überschäumenden Freude über die Geburt des ersten Kindes durch einen handgefertigten Ring aus ihrer Werkstatt Ausdruck verleihen wollte: Ein einzigartiges Schmuckstück für den wertvollsten Menschen im Leben.
 
Wie aber entsteht so ein Unikat? Was passiert zwischen dem Erstgespräch, wo man schildert, was man gerne hätte, und der Übergabe des fertigen Prachtstücks?
 

Die große Kunst des Zuhörens

Der erste und wohl wichtigste Schritt bei der Gestaltung eines solchen Schmuckstücks ist für Ingrid Reindl-Kals: Zuhören. Schließlich soll das fertige Stück die Persönlichkeit des Trägers oder der Trägerin widerspiegeln.

„Viele Menschen kommen mit etwas zu mir, das für sie eine große emotionale Bedeutung hat“, berichtet die Goldschmiedin aus Leidenschaft. Ob es ein Zahn des geliebten Pferdes oder die Asche eines schmerzlich vermissten Haustiers ist – Ingrid Reindl-Kals erfragt behutsam die Wünsche ihrer Kund*innen: Was haben sie sich vorgestellt? Einen Armreif? Eine Kette? Ein Amulett? Oder Ohrgehänge? Und: Wie sieht ein Schmuckstück aus, das dann auch wirklich getragen wird?

Noch während des Gesprächs skizziert sie mit Bleistift mögliche Designs. Am Ende der Besprechung ist der Entwurf für gewöhnlich fertig. Jetzt werden noch das Material und die Details sowie der voraussichtliche Preis besprochen, dann kann es losgehen.

Im Zuge der Fertigung werden den Kund*innen Bilder vom Arbeitsfortschritt übermittelt. Die Resonanz ist mehr als positiv. Jedes Schmuckstück, das ihr Atelier verlässt, ist daher ein unverwechselbares Einzelstück mit hohem handwerklichem Anspruch und immensem emotionalem Wert.

Hinsichtlich des Kostenvoranschlags müssen ihre Kund*innen auf keine unliebsamen Überraschungen gefasst sein: „Ich kalkuliere immer sehr vorsichtig, sodass eine Überschreitung des genannten Preises praktisch nie vorkommt“, so die Unternehmerin, die seit sieben Jahren in ihrem Atelier zuhause arbeitet. „Viele meiner Kund*innen wissen diese besondere Diskretion zu schätzen. Zum Beispiel, weil sie vorhaben, ihren Schatz mit einem Antrag zu überraschen. Oder weil sie eine heimliche Hochzeit planen“, berichtet sie.

Viele Wege führen nach Rom

Die Art und Weise, wie man zu seinem Entwurf kommt, ist je nach Persönlichkeit sehr unterschiedlich: „Viele sagen, das Design entsteht im Arbeiten. Das stimmt für mich überhaupt nicht. Meine Entwürfe entstehen zuallererst im Kopf“, berichtet Harald Froschauer, Goldschmiedemeister und Inhaber der Schmuckwerkstatt NUB in der Murgasse in Graz. Auch er legt großen Wert darauf, seinen Kund*innen aufmerksam zuzuhören und ihre Persönlichkeit im Gespräch bestmöglich zu erfassen. Ob die Kundschaft mit dem Schmuckstück sich selbst oder einen anderen geliebten Menschen beschenken möchte, macht für ihn keinen Unterschied.

Er versucht, ein Gespür dafür zu bekommen, zu welchen Anlässen das Schmuckstück denn getragen werden soll. „Den Allrounder, die eierlegende Wollmilchsau, die man zur Gartenarbeit und zum Empfang bei Hofe tragen kann – so etwas gibt es meiner Meinung nach nicht“, erklärt der Goldschmied, der sich mit seiner geradlinigen Art, seinen charakterstarken Designs und seiner Persönlichkeit eine bunte Fanbase „vom distinguierten Herren bis zum Häfenbruder“ aufgebaut hat.

Den ersten Entwurf skizziert er mit der Hand auf Papier, oft schon während des ersten Gesprächs mit dem Kunden oder der Kundin. Farblich ausgestaltete, detailgetreue Handskizzen in Originalgröße vermitteln einen ersten Eindruck, wie das fertige Schmuckstück einmal aussehen wird.

„Oft bringen Kundschaften Steine selbst mit. Oder wir wählen gemeinsam einen passenden Stein aus. Der bestimmt dann Form und Art des Schmuckstücks“, hält Harald Froschauer nicht viel davon, die eigene Kreativität im Designprozess zu früh durch formale Entscheidungen zu beschneiden.

Ein Gutteil seiner Projekte plant der technisch aufgeschlossene Schmuckdesigner mithilfe von Konstruktionsprogrammen, die ein 3D-Rendering des Schmuckstücks erlauben. So kann er seinen Kund*innen ihr Einzelstück schon von allen Seiten vorführen, noch bevor es in Produktion geht. Ein neu angeschaffter 3D-Scanner ermöglicht ihm, die Steine, die verarbeitet werden sollen, ohne Messungenauigkeiten zu erfassen und im Planungs-Tool entsprechend einzupassen

„Dank der exakten Planung kann ich auch genaue und belastbare Kostenvoranschläge machen. Dann wissen meine Auftraggeber*innen auch immer schon genau, mit welchem Preis sie letztendlich rechnen können.“

Findet der Entwurf Gefallen, wird mithilfe des 3D-Druckers eine entsprechende Gussform erstellt, die eine hochpräzise Fertigung des Schmuckstücks erlaubt.

Ob er alles digital konstruiert? „Nein. Gerade amorphe Formen wie Blätter, Stücke in Mokume Gane Technik aber auch große Silberkorpuswaren, Teller oder Snus-Dosen werden von Hand modelliert. Da ist die Anwendung digitaler Programme nicht sinnvoll möglich.“

Was aber macht gutes Design aus?

Hier gehen die Meinungen ebenso auseinander, wie die Herangehensweisen an den Entwurf.

„Bei mir gibt es keine geraden Linien. Zumindest nicht, wenn ich es meinen Kund*innen ausreden kann“, schwört Ingrid Reindl-Kals auf geschwungene Linien und ausdrucksstarke Silhouetten.

Harald Froschauer hingegen ist ein Freund klarer Linien und Kanten: „Wenn ich ein Schneckenhaus betrachte, dann ist das ein Gebilde von perfekter Schönheit. Ideale Proportionen, alles stimmt und ist harmonisch. Daran nehme ich mir ein Beispiel und versuche, mich bei meinen Kreationen von der Perfektion der Natur inspirieren zu lassen.“

Aktuell arbeitet er mit Begeisterung an einer eigenen Herrenkollektion, mit der er noch heuer die Herzen der stilbewussten Männerwelt erobern will. Dabei war er nicht immer so ein selbstbewusster Designer. Erst mit der Eröffnung der NUB Schmuckwerkstatt in Graz begann er, selbst Schmuckstücke zu entwerfen. „Davor habe ich hauptsächlich die Entwürfe meiner damaligen Partnerin handwerklich so perfekt wie möglich umgesetzt.

Jetzt mache ich alles – bin Designer, begeisterter Kunsthandwerker und leidenschaftlicher Entertainer. Schließlich verdient ein einzigartiges Schmuckstück eine angemessen inszenierte Präsentation bei der Übergabe – ebenso wie die Kundin oder der Kunde“, schmunzelt Harald Froschauer. Und damit hat er zweifelsohne recht.

Kunsthandwerker bei der Arbeit
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